Baden-Wuerttemberg

Stadt Leutkirch i.A.

In Blau eine dreitürmige, rot gedeckte silberne Kirche, darüber in goldenem Schild ein schwarzer Doppeladler (Reichswappen)

Flaggenfarben: Blau-Gelb.

Das Wappen ist mit der Hauptfigur „redend“ und weist mit dem Reichsadler auf die einstige Reichsunmittelbarkeit hin.
„Leutkirch“ ist seit 843 als Name der südlich der Stadt gelegenen Siedlung Aufhofen bezeugt. Die Martinskirche bei Aufhofen war das kirchliche Zentrum des Nibelgaus. Leutkirch. das auch Malstätte und Mittelpunkt der Freien auf Leutkircher Heide war, kam um 1240 mit der aus dem Nibelgau hervorgegangenen Grafschaft Zeil von den Grafen von Montfort an Kaiser Friedrich II. Neben der Dorfsiedlung bestand schon unter den Grafen von Montfort ein befestigter Markt, der nunmehr zur Stadt ausgebaut wurde. Im Laufe des 14. Jahrhunderts erhielt diese die volle Reichsunmittelbarkeit.

Kirche und Reichsadler, die später auch das Stadtwappen bildeten, erscheinen schon auf den ersten Siegeln der Stadt. Insgesamt konnten folgende Siegel ermittelt werden:
1. Durchm.: 47 mm, Umschr.: + • SI(GILLVM) • CIVITATIS • LIVKIRCHE, Abdr.: 1382-1500;
2. Durchm.: 28 mm, Umschr.: + S‘•• SECRETV(M) • CIVIVM IN LVKIRCH, Abdr.: 1377-1492;
3. Durchm.: 39 mm, Umschr.: S SECRETVM CIVIVM IN LEVTKIRCH, Abdr.: 1518-1521;
4. Durchm.: 42 mm, Umschr.: secretum • ciuium • in • leutkirch •‚ Abdr.: 1529 bis 1749;
5. Durchm.: 17 mm, Inschr.: L, Abdr.: 1612-1719;
6. Durchm.: 22 mm, Umschr.: • INSIGIL • ZV • LAEVTKIRCHEN, Abdr.: ohne Datum, Stil 17. Jahrhundert;
7. Durchm.: 31 mm, Umschr.: SIG • S(ACRI) • R(OMANI) • I(MPERII) • LIB(ERAE) • CIVIT(ATIS) • LEUTKIRCH, Abdr.: 1752-1794;
8. Durchm.: 20 mm, Abdr.: 1779-1798;
9. Durchm.: 25 mm, Umschr.: • S • CANCELL(ARIAE) • IMPER(IALIS) • CIVI(TATIS) • LEVTKIRCHEN •, Abdr.: 1682-1803;
10. Durchm.: 20 mm, Umschr.: S • CANCELL • IMPER • CIVI • LEVTHKIRCHE, Abdr.: 1748-1782;
11. Durchm.: 32 X 28 mm, Umschr.: S • CANCELL ... CIV(ITATI)S • LEUTKÜRCHENS(IS) :‚ Abdr.: 1782-1805;
12. Durchm.: 26 mm, Umschr.: CH(URFÜRSTLICH) + PF(ALZ) : BAIR(ISCHE) STADT LEUTKIRCH, Abdr.: 1805 Dezember 21 und 28;
13. Durchm.: 33 X 29 mm, Umschr.: CHURF • PF BAIR • STADT LEUTKIRCH, Abdr.: 1806 Oktober 31;
14. Durchm.: 30 X 28 mm, Inschr.: STADTBÜRGERMEISTERAMT LEUTKIRCH, Abdr.: 1818 April 16:;
15. Durchm.: 30 X 25 mm, Umschr.: STADTSCHULTHEISSENAMT LEUTKIRCH, Abdr.: 1820-1821;
16. Durchm.: 30 X 25 mm, Umschr.: STADTRATH LEUTKIRCH, Abdr.: ohne Datum, Stil um 1820.

Obwohl von dem Siegel Nr. 2 ein Abdruck ermittelt werden konnte, der fünf Jahre vor dem ersten bekannten Vorkommen des Siegels Nr. 1 liegt, dürfte doch dem letzteren ein höheres Alter zugesprochen werden. Es war spätestens seit 1382 als sogenanntes größeres Stadtsiegel gleichzeitig mit dem für weniger wichtige Beurkundungen verwendeten Sekretsiegel Nr. 2 in Gebrauch. Auch stilistische Kriterien lassen die Vermutung zu, daß das Siegel Nr. 1 das ältere ist, das möglicherweise schon im Jahre 1311 verwendet wurde. Am 3. Juli 1311 versahen nämlich Ammann, Rat und Gemeinde der Stadt Leutkirch eine Urkunde „mit unser stet Insigel“, das nicht mehr erhalten ist.

Die Darstellung der „Leutkirche“ auf den Siegeln wechselt so sehr, daß die in der Literatur gelegentlich vertretene Auffassung, die Siegelbilder überlieferten in der frühen Zeit das jeweilige Aussehen der Pfarrkirche St. Martin, in Frage gestellt werden muß. Wie in der Heraldik zeigen diese Siegel wohl nur den stilisierten Bautyp „Kirche“. Auf Siegeln aus dem 18. und 19. Jahrhundert mag jedoch das Aussehen der Kirche die Darstellung beeinflußt haben.

Mit Ausnahme der Kanzleisiegel des 17. und 18. Jahrhunderts (Nr. 9-11) zeigen alle Siegel als Hauptfigur die Kirche. Über ihr erscheint in der reichsstädtischen Zeit der ein- oder zweiköpfige Adler des Reiches. In der Art des Siegels Nr. 7 sind Kirche und Doppeladler auch auf der goldenen Gedenkmedaille wiedergegeben, die die Stadt 1748 zum hundertjährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens prägen ließ. Auf dem Kleinsiegel Nr. 5 aus dem 17./18. Jahrhundert ist der Adler durch den Großbuchstaben L ersetzt, der nach dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit im Jahre 1802 erneut an die Stelle des Reichssymbols tritt. Auf den Kanzleisiegeln kommt das Reich stärker zur Geltung: die Kirche als Zeichen von Leutkirch ist dem von der Kaiserkrone überhöhten doppelköpfigen Reichsadler im Brustschild aufgelegt.

Nach dem Übergang an Württemberg im Jahre 1810 wird die Kirche mit den drei württembergischen Hirschstangen im Wappenschild vereinigt (Siegel Nr. 15 und 16). Im späteren 19. Jahrhundert setzen sich bei der Gestaltung der städtischen Farbdruckstempel wieder Siegelbilder aus reichsstädtischer Zeit als Vorbilder durch. Einer dieser noch für das Jahr 1902 belegten Stempel ahmt sowohl im Siegelbild wie in der Umschrift das Siegel Nr. 4 nach. Dieses Siegelbild wurde schließlich in schildförmiger Umrahmung in die Stadtsiegel gesetzt und hat so auch andere Darstellungen des Stadtwappens bis zur jetzigen, seit 1956 gebräuchlichen Form beeinflußt.

Als Hauptsiegel war Nr. 1 bis um 1500 in Gebrauch. Ihm folgte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts das Siegel Nr. 4, diesem wiederum das Siegel Nr. 7. Als geringeres Siegel wurde im Mittelalter das Sekretsiegel Nr. 2 verwendet, im 17. und 18. Jahrhundert treten als solches die Siegel Nr. 5, 6 und 8 auf. Auch bei den Kanzleisiegeln gab es Qualitätsunterschiede. Während das Siegel Nr. 9 als „größeres Kanzlei-Insigel“ gebraucht wurde, hatten die Siegel Nr. 10 und 11 nur die Bedeutung von einfachen Signeten.

Die Form eines Wappens mit Schild erhält das Bild auf den Leutkircher Siegeln erstmals im 17. Jahrhundert. Auch die nichtsphragistische Überlieferung des Stadtwappens setzt verhältnismäßig spät ein. Die vermutlich älteste der ermittelten farbigen Darstellungen befand sich an der um 1600 entstandenen, im Krieg 1945 aber zerstörten Wappendecke der evangelischen Stadtkirche von Freudenstadt und gab in blauem Feld auf grünem Boden eine rot gedeckte, vermutlich weiße (silberne) Kirche mit goldener Fahne auf dem Turm wieder. Die Kirche allein zeigen auch zwei Wappenzeichnungen aus dem späten 18. Jahrhundert im Stadtarchiv Leutkirch und das Wappen auf der Leopoldschen Stadtansicht aus demselben Jahrhundert.

Während das Wappen über der Merianschen Stadtansicht von 1643 und das Wappen im evangelischen Gesangbuch von 1783 die Kirche und den Doppeladler noch im ungeteilten Schild vereinigen, sind die beiden Figuren in einer von R. Roth in seiner Stadtgeschichte (2. Teil, S. 61) aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg überlieferten Wappenzeichnung durch eine Schildspaltung voneinander getrennt.

Im 18. Jahrhundert kommt wie in anderen Reichsstädten die Übung auf, die Figuren in getrennte, unter einer Krone schräg gegeneinandergelehnte Schilde zu setzen. Damit wird das eigentliche Stadtwappen auf die redende Figur der Kirche beschränkt. In dieser Weise sind das Reichs- und das Stadtwappen über dem Balkon des 1740/41 erbauten Rathauses sowie in diesem Gebäude über dem Eingang zur Stadtkasse zu sehen. Nachdem die Reichsstadt an Bayern gefallen war, wurde das Reichswappen im Rathaus mit dem kurfürstlich bayerischen Wappen übermalt, das später wieder dem Reichsadler weichen mußte. In Weiterentwicklung dieser Tradition ist das Stadtwappen nach dem Übergang an Württemberg auf den Faszikelumschlägen des Stadtarchivs aufgedruckt worden: unter der Königskrone zwei gegeneinandergelehnte Schilde, von denen der vordere das württembergische Staatswappen, der hintere die Kirche enthält. in einer 1841 entstandenen Handschrift mit Wappen der württembergischen Oberamtsstädte erscheint aber bereits wieder die Kombination des alten Reichswappens mit dem Stadtwappen.

Seit 1854 ist in der amtlichen Literatur ein Stadtwappen belegt, das vom Siegel Nr. 4 beeinflußt ist und sich vom jetzigen im wesentlichen nur darin unterscheidet, daß der schwarze Adler ohne Schildchen auf dem blauen Grund über der Kirche angebracht ist. Der Verstoß gegen die heraldische Farbregel, wonach schwarze Wappenfiguren nicht auf blauem Grund dargestellt werden dürfen, veranlaßte aber sowohl den Bearbeiter des Siebmacherschen Städtewappenbuches von 1856 als auch den Heraldiker Hupp, den Reichsadler in ein goldenes Schildchen über die Kirche zu setzen, wie dies schon im Siegel Nr. 1 zu sehen ist. 1956 legte das Bürgermeisteramt das Wappen in dieser heraldisch einwandfreien Gestalt fest.

Die Farben Blau und Gelb der Stadtflagge sind vermutlich dem Stadtwappen entnommen. Vielleicht sind sie aber auch auf die 1832 geweihte Fahne der Bürgergarde zurückzuführen, auf der das königliche und das städtische Wappen abgebildet waren, wobei auf einer Seite die Farben Blau und Gelb vorherrschten.