Sachsen-Anhalt

Stadt Kemberg

Gespalten, vorn in Silber ein rotes Seeblatt; hinten neunmal von Schwarz und Gold geteilt, schräg rechts belegt mit einem grünen Rautenkranz.

In ältester Zeit wurden die Stadtsiegel von kunstgeübten Leuten gestochen oder geschnitten. Man nannte sie Stempelschneider. Auch Lucas Cranach hat für seinen Kurfürsten solche Arbeiten ausgeführt. Bei den ältesten Stadtsiegeln wurden neben der gotischen Schrift vor allem römische Großbuchstaben bevorzugt. Metall, Stein und Hartholz dienten als Material. Seit etwa 1560 wurden die Abdrucke auf Siegellack und Obladen ausgeführt, während früher dies auf Wachs geschah. Bei den städtischen Siegeln war die runde Form üblich, geistliche Behörden nahmen meistens die ovale. Die Umschrift hieß Legende. Dadurch bekam das Siegel - genau wie heute noch - erst die Bezeichnung und Bedeutung.
Das Kemberger Stadtwappen ist gespalten und zeigt, vom Betrachter aus links (Heraldisch rechts), ein Seeblatt; auf der rechten Seite (heraldisch links) das bekannte sächsische Wappen. Beide Teile geben die Herrschaftsgeschlechter an, die über Kemberg ehemals regierten. Das Seeblatt erinnert an die Grafen von Brehna, die das Gebiet um Kemberg auf dem Wege der Erbteilung erhielten. (Noch heute führt die Stadt Brehna drei Seeblätter im Stadtwappen.) Aber bereits im Jahre 1290 fiel es den Askaniern wieder zu. Beide geschichtlichen Vorgänge spiegeln sich also in diesem Wappen wider.
Das älteste vorhandene Siegel der Stadt Kemberg stammt vom Anfang des 15. Jahrhunderts und befindet sich im Archiv der Stadt Zerbst an Urkunden von 1468 und 1471. Unter einem ornamentalen Aufbau zeigt es einen gespaltenen Schild, der die Mitte hält zwischen einem Portal und einem Baldachim. Das vordere Feld zeigt ein gestieltes Seeblatt. Die Umschrift lautet ´S civitatis´de `Kemerik`. Im Jahre 1535 zeigt uns ein Stempel die Unterschrift `S`Stadt Kemericzk`´1535`. Der Seeblattausschnitt ist erhaben. Der ihm umgebende Rand ist als offener halber Mond geformt. Das `civitatis` bedeutet später allgemein `Stadt`, das `S` heißt Siegel. Das Mittelalter liebte diese lateinischen Siegel-beschriftungen. So wurde sogar der Stadtname oft lateinisiert, wie wir noch sehen werden.
Nach und nach ließ aber die Kunst der Stempelschneider nach, und einer nach dem anderen verunstaltete die ehemals klaren Formen des Seeblattes und des Balkenwappens mit dem Rautenkranz. Bei dem Stempel vom Jahre 1656 ist aus dem Seeblatt ein aufgerichtetes Kleeblatt und die sächsischen Balken sind zu Reihen von Pünktchen geworden. Das `Sigillum Covitatis Kembergeasis 1727` hat wieder den Halbmond in dessen Höhlung das Kleeblatt schwebt, ebenso das Siegel von 1733, bei dem aber der Halbmond sogar inzwischen ein Gesicht erhalten hat und das Kleeblatt wieder gestielt ist. Der Schild ist - um das Maß voll zu machen - sogar noch von Palmwedeln umrahmt. So hat die Phantasie ein völlig neues Gebilde geschaffen.
Der berühmte Nürnberger Kupferstecher Sibmacher hat es uns demzufolge auch so falsch in seinem Wappenbuche aus dem Jahre 1604 dargestellt. in der „Festzeitung zum Kemberger Heimatfest 1910“ schrieb deshalb selbst ein so gründlicher Heimatforscher Rudolf Reichardt - Rotta, nachdem er ganz richtig das sächsische Wappenbild noch erkannte, über die andere Schildseite folgende Worte: „Auf der anderen Seite sieht man bald drei Hopfenblüten, bald einen Blume, bald eine auskeimende Bohne. Am richtigsten wird die rechte Schildseite (gemeint ist die Seeblattseite) wiedergegeben, wenn man auf ihr eine liegende Mondsichel im ersten Viertel und darüber das dreiteilige Kleeblatt erblickt. Der Mond im ersten Viertel bedeutet Wachstum, das Kleeblatt Glück und Gedeihen, beide Symbole sprechen also den Wunsch für ein Blühen, Wachsen und Gedeihen der Stadt aus“. Dies sind sicherlich alles gute Wünsche, sie sind aber leider völlig verfehlt hier. Man muß ganz nüchtern diese Dinge historisch richtig ansprechen und es ist eine unumstrittene Tatsache, daß die meisten alten Stadtwappen nicht „redend“ sind. Blume, Kleeblatt, Hopfen und all das andere sind tatsächlich „Blüten“, die vor Jahrhunderten irgendein Stempelschneider hervorzauberte.
Erst im Jahre 1926 ging der Rat der Stadt Kemberg diesen ungenauen Angelegenheiten auf den Grund. Man erkundigte sich beim damaligen Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden und führte danach, von historisch einwandfreien Forschungen belegt, das alte schöne und vor allem richtige Kemberger Stadtwappen wieder ein.
Es wird heraldisch wie folgt angesprochen: Gespalten, vorn in Silber ein gestürztes, heraldisches rotes Seeblatt, hinten neunmal von Schwarz und Gold geteilt und von einem schrägrechts gezogenen grünen Rautenkranz überdeckt.
So hat uns das Wappen einer kleinen Stadt aus deren reiche geschichtliche Vergangenheit erzählt.

Ehemaliges Wappen der Stadt KembergDie hier noch aufgeführte "gehörnte" Wappenform ist von den Stadtvätern nicht mehr gewollt gewesen. Daher gilt heute die allgemeine Topfform.