Niedersachsen

Stadt Syke

Auf einem Schild eine aufrechtstehende schwarze Bärenklaue mit roten Krallen auf goldenem Grund.

Siegel und Wappen der Stadt Syke

(von Hermann Greve)

Die Bärenklaue ist das Syker Symbol schlechthin. Als Herzstück des so genannten Bürgersiegels ist sie seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Das in jener Zeit benutzte Petschaft, der Stempel, wird bis heute sorgsam verwahrt. Es hat selbst den verheerenden Brand vom April 1808 überlebt, dem der alte Flecken fast gänzlich zum Opfer fiel.

Wann Syke das Recht erhielt, ein Siegel zu führen, bleibt eine Forschungsaufgabe für die Zukunft. Wer sich damit nicht zufrieden geben möchte, dem sei vorerst ein Blick über die Ortsgrenzen empfohlen: Das Weichbild Hoya besaß bereits vor 1400 ein "insegele". Aus dem 16. Jahrhundert, noch aus der Zeit der Hoyaer Grafen, sind Siegel der Flecken Altbruchhausen, Liebenau, Stolzenau und Sulingen überliefert. Anderen Orten wie Diepenau, Uchte und den drei Bassumer Flecken wurden sie erst nach dem 1582 erfolgten Aussterben der Grafen zugestanden. Die meisten dieser Siegel haben eines gemeinsam: Sie zeigen entweder die beiden oder wenigstens eine der zwei Bärenklauen, welche das Wappen der Hoyaer Grafenfamilie zierten.
Ohne weiteres Beiwerk fand - nur - eine rechte Bärentatze Eingang in das Syker Bürgersiegel. Kein "S" wie in Sulingen oder Steyerberg, keine Mauern und Türme wie in Hoya oder Stolzenau, selbstredend auch kein gekrönter Löwe wie in den ehemals hessischen Flecken Bassum, Freudenberg und Loge.

Bei welcher Gelegenheit Sykes Siegel im 18. und frühen 19. Jahrhundert eingesetzt werden durfte, ist durch rathauseigene Aktenvorgänge nicht auszumachen. Zur "allgemeinen Fleckens Noturft", heißt es in Verleihungsurkunden, mit denen andere Orte bedacht wurden. Ein dehnbarer Begriff. Die Folge war, dass es zu vielfältigen Klagen über angeblich oder tatsächlich unrechtmäßige Verwendung kam. Dies war häufig dann der Fall, wenn der Magistrat Kaufverträge zur Bestätigung siegelte. Im Stadtarchiv Syke sind lediglich zwei Kontrakte aus den Jahren 1743 und 1744 erhalten, mit denen Bürgermeister Hinrich Ludolph Bothmer einen Grundstücks- und einen Hofverkauf per Unterschrift und aufgedrücktem Bürgersiegel bestätigte. Im August 1780 bekräftigte Bothmers Sohn und Amtsnachfolger Johann Cord auf ähnliche Weise, jedoch unter Weglassung seiner Unterschrift, sogar den Inhalt einer privaten Schuldobligation. Als 1796 Hinrich Detlev Balk als neuer Bürgermeister seinen Dienst antrat, musste er unter Eid zusichern, keine Verträge zu bestätigen. Unstreitig siegeln durften Sykes Fleckensoberhäupter dagegen Geburts- und Lehrbriefe. Erstere dienten zum Nachweis der freien Geburt, die eine Voraussetzung zur Gewinnung des Bürgerrechts war; letztere mußten bei Eintritt in eine Gilde oder Zunft vorgelegt werden.

Das alte Petschaft hatte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mindestens vier Nachfolger. Zum Teil wurden sie zeitgleich und im Hinblick auf die Dienstgeschäfte unterschiedslos verwendet. Nachdem der Hacheflecken 1885 Verwaltungssitz des Kreises Syke geworden war, führte man die Umschrift "MAGRISTRAT ZU SYKE" ein. Auf zwei Stempeln, die möglicherweise in den 1880er und 1920er Jahren beschafft wurden, erscheint außerdem der Zusatz "KREIS SYKE". Erst um die Jahreswende 1932/33, nachdem der Kreis Grafschaft Hoya entstanden war, kam das letzte dieser Dienstsiegel außer Gebrauch.

Ein Wappen führte der Flecken offiziell nicht, zumindest nicht in den letzten hundert Jahren vor der Stadtwerdung. Im Frühjahr 1927 richteten Sykes Volksvertreter deshalb neidische Blicke gen Bassum, das sich anschickte, ein eigenes Gemeindewappen zu führen. Im Hauptort des Kreises wollte man nicht nachstehen. Bürgermeister Hinrich Hanno nahm deshalb mit seinem Bassumer Kollegen Kontakt zwecks Hilfestellung auf, die ihm auch postwendend zuteil wurde. Doch während die spätere Lindenstadt das Projekt energisch vorantrieb - schon im September 1927 wurde ihr Wappen von dem preußischen Innenminister Severing genehmigt -, verloren die Syker offenbar das Interesse.

Für einen neuen Schub sorgte die Stadtrechtsverleihung. Nun wurde die Suche nach geeigneten Künstlern aufgenommen, die gegebenenfalls Wappenentwürfe vorlegen könnten. Die Aktion war allerdings nicht mehr als ein Strohfeuer: Es blieb bei der Suche. Vielleicht schien es Bürgermeister Hanno, der für seine sparsame und verantwortungsbewußte Dienstführung bekannt war, in den lausigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise untunlich, öffentliche Gelder in ein kleines Prestigeobjekt zu stecken. Außerdem stand Syke nicht mit leeren Händen da, sein aktuelles Magistratssiegel zeigte die vertraute Bärentatze, die gelegentlich auch bei öffentlichen Anlässen eine Rolle spielte.

Erst im Sommer 1935 kam die Wappenfrage wieder auf die Tagesordnung. Hannos Nachfolger Friedrich Rittmeister machte Nägel mit Köpfen. Der Heraldiker G. Adolf Cloß aus Berlin-Wilmersdorf wurde beauftragt, Entwürfe anzufertigen. "Es war an ein Wappen gedacht", erklärte der Bürgermeister später, "das die Bärentatze mit einem speziell für Syke charakteristischen Emblem vereinigt." Doch das begutachtende Staatsarchiv in Hannover erteilte eine deutliche Abfuhr. Es war der Meinung, daß Syke "in alter Zeit" nicht nur ein Siegel, sondern auch ein Wappen geführt habe. Das beweise die Umschrift "FLECKEN SIEKE WAPEN" auf dem Siegel des 18. Jahrhunderts hin. Demzufolge liege kein Grund vor, "warum dies altübekommene, in seiner Einfachheit ausgezeichnete Wappen geändert werden sollte". Friedrich Rittmeister widersprach dem heftig, gab sich schließlich aber geschlagen.

Wenigstens in einem Punkt konnten sich der Bürgermeister und die Gemeinderäte durchsetzen: Den goldenen Grund des Hoyaer Grafenwappens mußten sie nicht übernehmen, stattdessen durfte das von ihnen bevorzugte Silber verwendet werden. Um es kurz zu machen: Sowohl für das Wappen als auch für eine Stadtflagge wurden je zwei Fassungen beim Oberpräsidenten der Provinz Hannover eingereicht. Die erste Lieferung fiel durch, die zweite fand Gnade. Und so wurde der Stadt Syke am 22. Juli 1936 "das Recht zur Führung eines Wappens und einer Flagge" verliehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Rat und Verwaltung heftige Aversionen gegen die im 3. Reich erworbenen Statussymbole. Man lehnte "die unschöne Form" der von Cloß gestalteten Tatze ab, sehnte sich nach der Bärenklaue aus dem alten Fleckenssiegel zurück und wünschte sich nun das gräfliche Gold. Der Heraldiker Gustav Völker aus Hannover wurde im Frühjahr 1952 gebeten, das Problem zeichnerisch zu lösen. Unter anderem sollte das Torhaus des Amtshofes einbezogen werden. Gefallen fand der Rat jedoch nur an der Solo-Klaue. Dass sie am Ende fünf rote Krallen erhielt anstatt der bis dahin üblichen vier, war nicht geplant. Wie es trotz anfänglichen Widerstands der Stadtväter dazu kam, verraten die Akten nicht.

Den Abschluss fand der vorläufig letzte Akt der Syker Wappenschöpfung am 8. Januar 1953. Es war der Tag, an dem der Niedersächsische Minister des Innern der Stadt Syke das Recht verlieh, das neugestaltete Wappens zu führen, sprich: "auf einem Schild eine aufrechtstehende schwarze Bärenklaue mit roten Krallen auf goldenem Grund". Zugleich wurde eine schwarzgoldene Flagge genehmigt, die das Stadtwappen trägt. Die heutige Stadt Syke, 1974 durch die jüngste Gemeindeform aus der früheren Kreisstadt und zwölf Umlandgemeinden gebildet, hat Wappen und Flagge übernommen.