Bayern

Stadt Neuötting

In Blau eine achteckige silberne Kapelle mit breitem Unter- und schmäleren Oberbau mit spitzem Dach. Im geöffneten großen Tore mit goldenen Flügeln wird die gekrönte, rot bekleidete Gottesmutter sitzend, mit dem Kinde links auf dem Schoße, sichtbar.

Abschrift aus Otto Hupp: „Wappen und Siegel der Deutschen Städte, Frankfurt a.M. 1912,“ 6. Band, Seite 56:

Dies ist auch das Bild des:
„S’ . VNIVERSITATIS . CIVIUM . IN . OETINGEN“ (Durchm. 65 mm); der Stempel dürfte mit dem Stadtrecht von 1321 gleichzeitig sein, und ihm verdanken wir jedenfalls die älteste Abbildung des berühmten Zentralbaues der heiligen Kapelle des benachbarten Altötting. Zeigt: sich hierbei auch der Unterbau der Kapelle achteckig, so erscheint derselbe doch auf dem Sekret, das zuerst am Bundbrief der Landschaft von 1374 nachzuweisen ist, rund, wie ja auch die Kapelle selbst unten nur innen achteckig, außen aber rund ist. Die Madonna ist bei diesem zweiten Siegel fortgeblieben, sodaß das Tor leer ist.
Die Umschrift lautet;
„S’ . VNIVERSITATIS . CIVIVM . N . OETINGEN“
(Durchm. 40 mm). Eine Nachbildung dieses Siegels ist das im Jahre 1514 gebrauchte:
„S’ . VNIVERSITATIS . CIVIVM . IN . OTINGEN .“
(Durchm. 40 mm), bei dem vom inneren Schriftrande ein feines Zackenrändchen ins Siegelfeld hinein ragt. Das der Mitte des 16. Jahrhunderts angehörende:
„S’ . VNIVERSITATIS CIVIVM IN OETINGEN“
(Durchm. 40 mm) hat die Formen der Kapelle etwas verändert, sodaß sie mehr einer Burg gleicht. Auch hier fehlt noch die Madonna, während sie auf dem :
„SIGIL . DER . S… OETING 1633“
(Durchm. 31 mm) wieder im Tor der Kapelle erscheint, die hier im berankten Felde steht. Das wenig spätere:
„SIGILLVM VNIVERSITATIS . CIVIVM . IN . OETINGEN“
(Durchm. 43 mm) hat die Kirche in einem ovalen Rahmenschilde. Ebenso das daneben gebrauchte Signet mit der Bezeichnung:
„CIVITAS OETINGE“ (oval, Durchm. 21 : 19 mm).
Es gibt noch ein gleichgroßes, 1698 gebrauchtes Signet mit derselben Überschrift, das nur einen etwa anders verzierten Schild hat, und ein drittes, wenig größeres, auch nur durch die Schildform unterschiedenes Signet mit:
„CIVITATS OETTING .“ (oval, Durchm. 23 : 20 mm) des 18. Jahrhunderts.
Auch die Bürgermeistermedaille und die in ihrem traurigen Stil gehaltenen späteren Siegel haben die Kapelle mit der Madonna in Tore. Erst mit dem 19. Jahrhundert beginnt die unterscheidende Bezeichnung : Neuötting auf den Siegeln. Der einheitlichen und richtigen Darstellung der Siegel steht eine ebenso einheitiche, aber unrichtige Darstellung des Wappens in den Wappenbüchern gegenüber. Sie alle zeigen die Madonna, statt im Tore der gemauerten Kapelle, in einem weißen Zelte sitzend. Das Zelt ist wie die Kapelle mit einem Aufbau und spitzem roten Dach, sowie mit großen Torflügeln versehen, sodaß offenbar ein mißverstandenes Siegel den Irrtum veranlaßt hat. Zuerst findet sich das Wappen so im Rande von Aventins Karte Bayern von 1523 und, in anderem Holzschnitt, bei der Ausgabe von 1535; dann bei allen Kalendern Peter Apians, im Wappenbuche eines bayerischen Herolds, in dem Wappencodex des Heroldsamtes (um 1530), in Fuggers Ehrenspiegel von 1555, in Flexels Passauer Schießen vom gleichen Jahre (Feld rot), auf den Landtafels apians 1568, (fehlt bei Primps, Holzstock befindet sich im Historischen Verein für Oberbayern), bei Weiners Nachstich 1579, auf dessen großem Stich des bayerischen Wappens von 1581 (hier ohne Madonna), bei Siebmacher 1605, Merian 1644, in Ertls Churbayerischem Atlas 1887, bei Wening 1721 und bei allen neueren, bis endlich Clericus zu der früheren Hefnerschen Zeltangabe im “Neuen Siebmacher“ einen Zusatz brachte: “Das heutige Stadtwappen hat die Jungfrau Maria mit dem Jesusknaben im geöffneten Tor eines märchenartigen Gebäudes.“ - Man sieht, wie vorsichtig man bei den Angaben von Wappenbüchern sein muß. -
Wenn die Zeichner die wenig bekannte Stadt öfter mit dem weltbekannten Wallfahrtsorte verwechselten, so ist das um so weniger zu verwundern, als sie ja dessen Wahrzeichen im Wappen führte. Auffallend ist dagegen, daß die unrichtigen Wappen sich in letzter Linie auf Aventin zurückführen lassen, weil gerade er auch das einzige Wappen lieferte, das, zwar auch nicht richtig, aber doch von allen anderen abweichend ist. Auf dem Titelblatt seiner 1518 zu Nürnberg und 1519 zu Ingolstadt verdeutscht erschienenen “Historia non vulgaris vetustatesque Otingae Boiorum etc“ sieht man unter einer Madonna zwei gegeneinander gelehnte Schilde. Der erste zeigt auf einem Hügel eine Staude, unter der ein Wolf sitzt; der andere enthält das Bild der heiligen Kapelle im weiteren Sinne, d.h. nicht den Zentralbau, wie ihn die Siegel zeigen, sondern die verkürzte Ansicht der Kirche, die die Kapelle umschließt. Was bedeuten die Schilde? - daß der zweite nur eine andere Auffassung des Wappens von Neuötting ist, ist ohne weiteres klar. Der naheliegende Gedanke, der erste Schild solle auf Altötting deuten, ist nicht angängig, weil der Ort nie Markt war und als Landgemeinde kein Wapoen hatte. Auch Wiedemann irrte, wenn er an das Wappen des Collegiatstifts dachte, das freilich auch die Madonna, aber zwischen zwei Heiligen und mit dem pfalz-bayerischen Schilde zu ihren Füßen führte. Wir haben es mit dem ersten Schilde vielmehr mit einer der „Eingebungen“ Aventins zu tun, wie aus folgender Stelle seiner Chronik hevorgeht:
“Darumb (nämlich wegen der Schlacht zwischen Bayern und Römern) ist das alte Wappen der Stadt Otting ein Wolff vnder einer stauden, das ist nach dem alten brauch ein anzeigung solcher Schlacht, denn die alten haben etliche solche kurtze gemehl, Wapen vnd zeichen geführet, damit sie jr ehrliche That bedeuten..“ Die beiden Schilde stellen also das neure und ein angeblich altes Wappen der Stadt Neuötting vor.
Ohne obige Stelle zu kennen, vermutete der scharfsinnige Beierlein sicher richtig, daß der Wolf unter der Staude seinen Ursprung in dem Münzbilde der Oettinger Pfennige (Mitte des 13. bis Ende des 15. Jahrhunderts) finde; sie zeigen nämlich einen schreitenden Bracken unter einer Staude, die oft auch in drei einzelne gestielte Blumen aufgelöst ist.
Ebenso berichtigt Beierlein die Angabe von J. M. Schmid in “Mitteilungen zur Geschichte der Stadt Neuötting, daß das Marienbild im Tore der Kapelle erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts vorkomme, zwar nicht durch die viel älteren Siegel, wohl aber durch eine 1570 geschlagene Medaille Herzog Albrechts V.
Noch ist zu erwähnen, daß Neuötting zur Belohnung seiner Bürgertugenden und der von der Nationalgarde III. Klasse im Kriege bezeigten Tapferkeit unterm 22. Hornung 1809 ein neues Wappen verliehen erhielt, nämlich im Bayerischen Weckenschilde eine goldene Königskrone. Lipowsky hat die Verleihungsurkunde im Bürger-Militär-Almanach für 1810, Seite 168 abgedruckt und das Siegel des Bürgermilitärs mit diesem Wappen im Nazional-Garde-Almanach 1811 zu Seite 161 abgebildet. Entgegen andern derartigen Diplomen ist hierbei nicht ausdrücklich gesagt, daß sich auch die Stadt des neuen Wappens zu bedienen habe. Auch ist mir kein derartiges Siegel zu Gesicht gekommen.